Aerocurve, Lamson

vom Winde verweht


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Baubericht Lamson Aerocurve

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Lamson
Ca.96 erwarb ich das Buch "Drachen mit Geschichte", eine Ansammlung von Bauanleitungen, untermauert mit wunderbaren Bildern historischer Drachen.
Die Bilder dieser Typen mit Hut, Schielet und Sackuhr und ihren fliegenden Kisten, faszinierten mich.
Stundenlang studierte ich diese Bauanleitungen und Beschreibungen und sog die Fotos geradezu in mich auf.
98/99 baute ich nach diesem Buch den 12m2 Regulierdrachen, eine echte Herausforderung, vor allem auch für meine Frau (unser Wohnzimmer kam absolut an seine Grenzen.)
Im Frühsommer 2001 genoss ich das Bild des Arocurve von Charles Lamsons, ein Namensvetter von mir, was bereits ein Grund war das Bild dieses Vehikels genauer zu betrachten. Dieser Drache erinnert wohl eher an ein Flugzeug, als an dass, was man sich unter einem Drachen vorstellt.
Nach dem ich die letzten zwei Jahre das Dach unseres Hauses ausgebaut habe und keinen Drachen mehr in Arbeit hatte, war es fällig etwas zu bauen was mich fordert.
So vertiefte ich mich in die Bauanleitung und stellte bald fest, dass ich mich ganz offensichtlich schon früher mit diesen Plänen befasst haben musste, denn ich hatte einige Notizen in die Bauanleitung geschrieben. Tatsächlich überraschte mich dass, denn ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, doch gab es mir den nötigen Kick.
Noch im Bett entschied ich mich, mit dem Bau zu beginnen, sobald das Dach fertig gestellt ist.
Kurz vor den Sommerferien besorgte ich mir Messingbleche in verschiedenen Stärken. Aus meiner Werkstatt packte ich einen kleinen Schraubstock, Blechscheren, Zangen so wie einen Miniambos in einen Koffer.
Nebst Schlauchboot, Zelt und was es sonst noch so für die Ferien braucht, verstaute ich alles in unserem Wagen.

Zeltplatz, Ferien in der Toskana, feste Siestazeiten, aber was hat dies mit Blech oder Lamson zu tun?
Nun, alle Verbinder des Lamson werden aus Messingblech angefertigt und die Siestas waren die Zeiten, in welchen jeder unserer Familie einer "stillen" Beschäftigung nachzugehen hatte.
Nach zwei Wochen Ferien hatte ich Muskelkater in der rechten Hand und fast alle Verbinder ausgeschnitten. Heute würde ich allerdings vorwiegend mit der Trennscheibe arbeiten, dies geht viel einfacher und ist präziser als die Arbeit mit der Schere.
Einige Teile müssen getrieben und hartgelötet werden, so will gem. Anleitung die Tragflächenwurzel gefertigt sein. Ein Zwölferloch bohren und die Bohrkanten durch Treiben mit dem Hammer auf einen Durchmesser von 25 mm aufweiten, die Holmenrohre hart einlöten.
Einfach beschrieben, doch für das Auftreiben einer einzigen Bohrung benötigte ich einen ganzen Samstag!
Auch dies würde ich heute anders angehen, doch diese Aussage spare ich des Weiteren, trifft sie doch auf einige Bauschritte zu.
Grosse Baupause, das Dach war noch nicht ganz fertig. So wurde es Frühling. Ich war eingeladen am Historikal Kite Workshop in Frankfurt teil zu nehmen. Dort lernte ich Falk kennen, der den Aerocurve bereits gebaut hatte, allerdings hat er zuerst sein Auto ausgemessen und die Dimension des Geräts diesen Massen angepasst, eine Rechenhöchstleistung welche er zu Beginn völlig unterschätzte.
Dieser Kontakt gab mir den nötigen Drive die Arbeit wieder aufzunehmen. Aus 1A Täfer fertigte ich alle Holzteile, mit einer Menge Ausschuss auf Grund div. Bauanleitungsfehlern, dies merkte ich aber erst später. Die Anleitung erwies sich wirklich als fehlerhaft, so habe ich meinem Wortschatz einen neuen Begriff zugefügt: "Plausiblitätskontrolle". In der Folge prüfte ich alle Masse und korrigierte wo nötig.
Über diese Fehler hab ich mich wirklich geärgert und doch bin ich Werner Schmidt und Walter Diem den Autoren des Buches sehr dankbar, habe ich doch durch dieses Werk Zugang zu einer neuen Leidenschaft gefunden und nicht nur dass! Die Fehler in dieser Bauanleitung, zwangen mich, mich mit dem Bau des Drachens in einer tieferen Art und Weise, als nur auf der Ebene des Umsetzens eines Bauplanes auseinanderzusetzen. Mit gemachter Erfahrung traue ich mir heute zu, auch eine "Replika" lediglich auf Grund eines Bildes nachzubauen.
Sollte trotzdem jemand Interesse an meinen Notizen haben, gebe ich diese gerne weiter.
Noch immer hatte ich nur eine wage Vorstellung der Dimension dieses Drachens.
Weitere Zwangspause, musste mich einer Rückenoperation unterziehen. Doch nach bereits sechs Wochen war ich in der Lage die aufwendige Lackiererei in Angriff zu nehmen. Alle total 61 Holzbauteile dreimal mit Zwischenschliff zu lackieren.
Sowie ich wieder bewegungsfähig genug war, konfektionierte ich die Segel, welche ich irgendwann zuvor zugeschnitten hatte. Das daunendicht gewobene Baumwolltuch, welches ich zum Teil schwarz eingefärbt hatte, lässt sich gut vernähen, doch die Büglerei schien kein Ende zu nehmen. Insgesamt galt es, mit den Tragflächen, Rumpfteilen, dem Leitwerk, Verstärkungen und Drahttaschen welche ich ausserhalb der Bauanleitung mit einplante, 333 Stoffteile zusammenzufügen.
Wers nicht glaubt kann gerne nachzählen. Verstärkungsteile bügelte ich mittels Leimflies auf das Tuch bevor ich nähte, eine enorme Hilfe, gerade wo es gilt enge Radien zu nähen.

Die Nerven meiner Familie wurden entspannt, als ich auf der Veranda mit dem Zusammenbau begann, endlich war die Stube wieder bewohnbar. Doch die Veranda hielt nur dem Schwatz, respektive Leitwerk stand. Für Rumpf und Flügel bedurfte es noch besserer Platzverhältnisse. Umzug auf den Gartensitzplatz, die Hollywoodschaukel muss weichen.

Warum nur hat Gott mich nicht mit vier Armen ausgerüstet, Er hätte doch wissen müssen.....
Nun ja was soll’s, es gibt immer einen Weg, auch wenn er in diesem Fall nicht ganz einfach zu finden war. Mit Unterstützung unzähliger Drahtstrops werden die Teile zusammengebaut. Ich bin überwältigt. Das entstehende Teil ist gigantelisch, einfach genial.

Regen zuerst nur ein par Tropfen, ich beeile mich mit Sonnenschirm, Plastik und Wäscheklammern einen Regenschutz zu errichten, doch alles wird nass und zu schwer, der auf Festbänken aufgebaute Drache droht vom Wind weggeblasen zu werden. "Ich werde eine Hangar bauen!" schrie es in mir.
Ich muss zusammenräumen, Sonnenschirm und Plastik möglichst schnell entfernt, damit dem Wind die Angriffsfläche genommen ist. Doch nun stehe ich an, die Flügel lassen sich nicht mehr entspannen, die Nässe im Tuch erzeugt eine enorme Spannungszunahme. Der Wind nimmt zu, ich muss, es muss, scheieieieieieiei....! Ich kappe die entsprechenden Spanndrähte. Alles rein ins Wohnzimmer. An den Deckenbalken aufgehängt, ist bis am Abend fast alles trocken. Dies war nur die erste Übung dieser Art, eine Halle sollte man haben, dies währe wirklich eine Erleichterung, denn der Auf- bzw. Abbau dauert je ca. 50 min. Könnte ich alles stehen lassen würde ich viel Zeit gewinnen. Doch alles hat zwei Seiten ,so habe ich während all den Aufbauübungen einige Schwachstellen entdeckt und gelernt, wie der Drache am sinnvollsten aufgebaut wird.

Der Regulierdrache ebenfalls ein Oldtimer wird mit Hilfe von Spannschrauben auf Spannung gebracht, was eine gute technische Lösung ist. Doch der Aerocurve muss nach dem Original gebaut, von Hand gespannt werden. Die Nassentspannung durch kappen ist jedoch keine Lösung, so habe ich mit entsprechenden Hilfsdrähten und einem Stück Alurohr eine Spannvorrichtung gebaut welche ich für die Flügel so wie für die Verspannung zwischen Rumpf und Leitwerk verwende.
Noch immer ist der Zusammenbau des Gerätes nicht ganz einfach zu bewältigen, da die Verspannung bei weitem noch nicht fertig gestellt ist, und er muss auch genau am Startort erfolgen, da ein Tragen alleine nur bei null Wind möglich ist. Gerade denke ich, dass eine Art Fahrgestell vielleicht Abhilfe verschaffen könnte . Aber was meine Gedanken noch viel mehr auf Touren hält ist der Transport. Eine gewaltige Kiste 125 mal 310 cm auf 35 muss gebaut werden und dies mit einem Gewicht welches ich alleine auf das Auto zu hieven vermag. Ein Problem welches ich schnell zu lösen habe sonst kann ich den Drachen nicht ans nächste Meeting mitnehmen.
Ein bisschen bangt mir vor dem ersten Flug, doch dies ging mir beim Regulierdrachen der gut 13 kg wiegt auch nicht anders.
Die Beschreibung von Falks Jungfernflug vor Augen, dessen Aerocurve nach schönem Aufstieg abgeschmiert und auf einem Baum gelandete ist, hoffe ich, dass mir dies nicht passiert.
Ich habe versucht die Flügelneigung entsprechend stark zu gestalten, auch habe ich die Flügelspitzen wie ich dies auf Bildern gesehen habe, mit elybsischen Öffnungen versehen. Zwar sind diese Öffnungen nicht genau im Druckpunkt des Flügels, doch werden sie sich auf jeden Fall stabilisierend auf das Flugverhalten auswirken. Der Luftstrom, welcher durch eine Öffnung im Drachen fliest, stabilisiert dessen Flug , hält den Drachen sozusagen fest. Dies hat man bereits vor gut 100 Jahren entdeckt.

Da ich diesen Bericht fortwähren schreibe, wechsle ich von Vergangenheit und Gegenwart.

So war ich vor gut zwei Wochen am Drachenfest in Donaueschingen. Das heisst die Transportkiste ist fertig gestellt und lässt sich, in 10 mm Sperrholz gebaut, gerade noch alleine aus Autodach heben.

Doch noch immer hab ich den Jungfernflug vor mir und eigentlich wollte ich diesen Artikel nicht veröffentlichen, bevor der Drache auch geflogen ist. Heute ist der 21.05.03, so werde ich geduldig warten bis die Verhältnisse stimmen und es nach Flugzeit riecht.
Nun ist es bereits Herbst, dass heisst Ende Oktober. Noch immer hat der Aerocurve den Jungfernflug vor sich. Die Verhältnisse waren seit Fertigstellung einfach noch nie optimal. Bei einem solchen Drachen ist nicht nur das Bauen eine Geduldsache, sondern auch das Fliegen lassen.
Bis ich den Regulierdrachen fliegen konnte, vergingen volle zwei Jahre nach seiner Fertigstellung. Dies hat einerseits mit den Windverhältnissen, mit der zur Verfügung stehender Zeit und nicht zuletzt mit der fehlenden Erfahrung zu tun. Heute fliege ich den Grund des öftern und habe keine Furcht ein abschätzbares Risiko auf mich zu nehmen. Genau dies scheint der Punkt, ich vermag das Risiko beim Aerocurve überhaupt noch nicht zu beurteilen und da ist auch keiner der mir seine Erfahrung weitergeben könnte.
Als ich Werner Schmidt den Autor der Bauanleitung danach fragte, erklärte er mir, dass er seinen Drachen nur ein einziges Mal geflogen hat und dass ihm dies völlig genügt.
So muss ich also meine eigenen Erfahrungen sammeln.
Oft schon stand ich auf der Wiese und hielt den Aerocurve am Bug fest. Aber noch nie stimmten die Verhältnisse so, das ich mich getraut hätte ihn zum Flug freizugeben.
So werde ich nun diesen Bericht trotzdem veröffentlichen und nach dem Erstflug einen Nachsatz zu diesem Text verfassen. Geflogen oder nicht, der Bau dieses Geräts hat riesig Spass gemacht.

Charles Tacheron











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